PRO: Wer an der Pandemiefront kämpft, muss geschützt werden
Von Jörg Quoos
Die Politik erwägt, Lehrer früher zu impfen als bislang geplant. Es ist höchste Zeit dafür. Denn Lehrer arbeiten an der wohl härtesten Pandemiefront in Deutschland. „Ich habe das Gefühl, ich werde verheizt“, gestand eine ältere Lehrerin kürzlich weinend in einer Rundfunkdebatte zum Thema Corona.
Diese Ängste sind begründet und man muss sie ernster nehmen. Lehrerinnen und Lehrer sind im Schulbetrieb mit Hunderten Kontakten täglich konfrontiert. Sie arbeiten über Stunden in Klassenräumen, die sich oft schlecht belüften lassen.
Keine Plexiglasscheibe schützt sie wie die Kassiererin oder den Busfahrer vor ihren „Kunden“, die morgens in der Virenschleuder Schulbus vorgefahren werden. Hinzu kommt: Die schulischen Hygieneregeln, entwickelt von Kultus-Bürokraten, sind im Alltag einfach nur weltfremd. Ein Blick in die Sanitäranlagen der meisten Schulen genügt.
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Wenn sich im Pausenhof zwei Jungs in die Haare kriegen, geht ein engagierter Lehrer dazwischen und misst nicht erst den empfohlenen Abstand nach. Und bei den ganz Kleinen muss auch mal getröstet werden, wenn Tränen fließen. Das macht eine Lehrerin mit Herz nicht auf zwei Meter Distanz – und das ist auch gut so.
Von engagierten, mutigen Lehrern profitieren alle Schüler. Das größere Risiko aber liegt eindeutig bei den Pädagogen. Die Ständige Impfkommission der Bundesregierung hatte zu Beginn der Pandemie entschieden, Lehrer erst in Gruppe 3 zu impfen.
Diese Entscheidung war damals schon umstritten und wenig nachvollziehbar. In Zeiten von hoch ansteckenden Virusmutanten ist sie eindeutig falsch.
Denn anders als gesundheitlich gefährdete Personen sind ungeimpfte Lehrerinnen und Lehrer durch ihre vielen Kontakte der Prototyp gefährlicher Pandemietreiber. Sie jetzt beim Impfen vorzuziehen, weil der unbeliebte Impfstoff von Astrazeneca übrig ist, ist nicht ungerecht, sondern extrem sinnvoll. Das schützt die Lehrer, unsere Kinder, unsere Enkel vor dem gefährlichen Virus – und damit uns alle.
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CONTRA: Eine Entscheidung zulasten anderer
Von Laura Himmelreich
Ich freue mich für jede geimpfte Lehrerin, jeden Erzieher. Ich sehne selbst den Tag herbei, an dem ich mein Kind zu geimpftem Personal in die Kindertagesstätte schicken kann. Politisch ist die Entscheidung, Lehrkräfte früher zu impfen, absolut nachvollziehbar. Das macht sie nur nicht zwangsläufig richtig. Leider.
Die Wahrheit ist: Aktuell ist der Impfstoff knapp, und solange das so bleibt, rückt mit jeder und jedem, der in der Impfschlange vorrückt, eine andere Person nach hinten.
Dafür, dass die 35-jährige Lehrerin ohne Vorerkrankungen eine Spritze bekommt, muss ein Krebspatient in der Chemotherapie, der Ehemann einer Hochrisikoschwangeren oder eine Sprechstundenhilfe, die täglich Alte und Kranke berührt, länger warten.
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So essenziell die Schulen und Kitas sind, so wenig dürfen wir die Tatsache verdrängen, dass andere schützenswerte Personen dadurch länger auf ihren Schutz warten müssen. Und dadurch womöglich schwer erkranken oder sogar sterben.
Ja, Lehrkräfte haben ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu erkranken, aber es gab eben auch gute Gründe, warum die Ständige Impfkommission gesagt hat, dass die Datenlage nicht hergibt, sie in die Gruppe 2 der Impfreihenfolge zu nehmen.
Ob die aktuelle Entscheidung, Lehrer und Kita-Personal vorzuziehen, richtig ist, werden wir erst in Jahren wissen, wenn die Wissenschaft beurteilen kann, welche Maßnahmen der Pandemiebekämpfung richtig waren und welche fatal, welche Schäden unsere Kinder durch geschlossene Schulen davongetragen haben, und wie viele Tote mit einer anderen Impfreihenfolge hätten verhindert werden können.
Nur weil die politische Entscheidung nun populär ist, ist sie aber nicht zwangsläufig moralisch und medizinisch richtig – und Stand heute auch nicht wissenschaftlich belegt. Wir müssen jetzt darauf hoffen, dass wir diese Entscheidungen in ein paar Jahren nicht bereuen werden.
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